Pharmaindustrie: Der Zukunftsmarkt
Wenn ein Pharmaunternehmen behauptet, dass der einzelne Patient im Fokus stehe, ist das vielleicht nur ein Werbespruch. Bei manchen ist es aber Teil des Geschäftsmodells. Denn sogenannte Personalized Drugs, also Medikamente, die individuell auf einen Patienten zugeschnitten sind, bilden einen der wichtigsten Trends in der Gesundheitsbranche.
EPO und andere Biopharmazeutika
Ein weiterer Zukunftsmarkt in der Healthcare-Branche sind Biopharmazeutika, sogenannte Biologicals – Medikamente auf Basis biologischer Moleküle, die nicht mehr als Tabletten, sondern durch Infusionen oder Injektionen verabreicht werden. Sie sind oft hochwirksam, aber aufwendig und teuer in der Herstellung. Ein bekanntes Beispiel ist das ursprünglich für Dialysepatienten entwickelte Erythropoetin (EPO), das in der Öffentlichkeit vor allem als Dopingmittel in Ausdauersportarten berühmt geworden ist. Die „rote“, also die medizinische Biotechnologie, spielt in der Pharmaindustrie eine wichtige Rolle. Mehr als 220 biopharmazeutische Wirkstoffe sind nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VfA) derzeit in der EU zugelassen - 23 davon werden in Deutschland produziert. Damit nimmt Deutschland europaweit die Spitzenproduktion ein.
Produktive Branche
Die Pharmaindustrie ist eine der investitionsstärksten und produktivsten Branchen in Deutschland. Nach einem kurzzeitigen Einbruch infolge der Weltwirtschaftskrise boomt die Branche und es entstehen neue Arbeitsplätze - seit 2010 steigt die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich: 2014 stellte die Pharmaindustrie 112.500 Arbeitsplätze - vom Laboranten bis zum Berater. Besonders stark ist die Pharmabranche im Export, was gute Zukunfsperspektiven verspricht: Durch die wachsende Weltbevölkerung und den steigenden Wohlstand der Schwellenländern, können deutsche Pharma-Konzerne wie Bayer oder Boehringer Ingelheim auch in Zukunft auf hohe Auslandsumsätze hoffen.
Sichere Jobs
Die Perspektiven stimmen. Die Jobs gelten als relativ sicher, denn der Healthcare-Bereich ist weniger von konjunkturellen Bedingungen abhängig als andere Branchen. Ein Grund ist die demografische Entwicklung. Die Menschen werden älter und möchten so lange fit und unabhängig bleiben wie möglich. So werden vor allem bessere Behandlung von Krebs und Alzheimer erforscht sowie neue Medikamente für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Krankheiten entwickelt.
Arbeiten in Forschung und Entwicklung
Typische Einstiegsbereiche für Naturwissenschaftler sind Forschung und Entwicklung sowie Marketing und Vertrieb. Immerhin jeder sechste Beschäftigte in der pharmazeutischen Industrie arbeitet laut VfA in der Forschung.
Als Labormitarbeiter arbeiten Naturwissenschaftler zunächst etwa als Spezialisten in der Synthese, in der Analytik oder sind in der Arzneimittelformulierung tätig, bevor sie zum Laborgruppenleiter aufsteigen können. Im klinischen Bereich gibt es unter anderem Aufgaben im Data Management, im operativen Studienmanagement oder in der Qualitätssicherung.
Interdisziplinär arbeiten
Aufgaben gibt es aber auch für Wirtschaftswissenschaftler bei der Erschließung neuer Märkte und im Vertrieb. Ingenieure, Informatiker und Statistik-Experten werden ebenfalls gebraucht. Für alle Fachrichtungen gilt: Bewerber sollten sich mit den Besonderheiten der Pharmabranche bereits beschäftigt haben und deren Entwicklung sowohl fachlich als auch wirtschaftlich beurteilen können.
Der Austausch mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen ist für viele Einsteiger der besondere Reiz der Pharmabranche. In den Projekten arbeiten häufig Biologen, Chemiker, Toxikologen, Pharmazeuten und Mediziner interdisziplinär zusammen.
Eine weitere Motivation, von der Hochschulforschung in die Industrie zu wechseln, ist die Möglichkeit, Ideen direkt in ein Produkt umzusetzen. Dass Projekte wegen Ressourcenknappheit vorzeitig abgebrochen werden müssen, ist hier nicht zu befürchten. Dafür zeigt spätestens der Markt, ob die Forschungsergebnisse ausgereift waren. Wichtig ist, sich schnell und immer wieder in neue Themengebiete und Teams einarbeiten zu können.
Wichtige Qualifikationen in der Pharmaindustrie
Markt und Forschung entwickeln sich rasant. Ein naturwissenschaftliches Studium allein bereitet deshalb nicht auf einen Job in der Branche vor. Bewerber punkten vor allem mit Praxiserfahrung aus dem Pharmabereich, bei der sie schon Fähigkeiten als Teamplayer und Führungspersönlichkeit bewiesen haben. Auch gute Sprachkenntnisse sind wichtig. Die meisten Unternehmen operieren global, und die Konzernsprache ist häufig Englisch.
In Gesundheitspolitik auskennen
Gefragt sind außerdem ökonomische und gesundheitspolitische Kenntnisse. Zu aktuellen Themen der Gesundheitsbranche und Gesetzesänderungen sollten sich auch Naturwissenschaftler im Vorstellungsgespräch äußern können. Kein Wunder, denn die Entwicklung eines Medikaments kann bis zur Markteinführung mehrere hundert Millionen Euro verschlingen. So manches spannende Projekt wird in der Pharmaforschung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit gestoppt.
Heinz Peter Krieger, Redaktion