Zusatzqualifikation für Juristen
Nach wie vor spielen die Noten der beiden Staatsexamina die ausschlaggebende Rolle im Auswahlprozess der internationalen Großkanzleien. Da jedoch die Zahl der hochqualifizierten Absolventen stetig zurückgeht, müssen viele Kanzleien von dieser sehr strikten und engen Regel abrücken. Sie müssen eine größere Flexibilität bei der Bewerberauswahl zeigen. Diese Entwicklung ist positiv, da die Kanzleien mittlerweile das „Gesamtpaket“ eines Bewerbers beurteilen und sich nicht nur starr an den Punkten des Staatsexamens orientieren.
Ein rundes Gesamtprofil
Für Absolventen gilt zwar weiterhin: Gute Noten am Ende der Ausbildung bleiben ein wichtiges Beurteilungskriterium, sie sind aber nicht mehr automatisch ein Garant für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Schon während der Ausbildung müssen Nachwuchsjuristen verstärkt zusätzliche Schlüsselqualifikationen aufbauen und sich weitere Kompetenzen aneignen, die das Gesamtprofil abrunden und es interessant für potenzielle Arbeitgeber macht.
Eine wichtige Kompetenz sind sehr gute Englischkenntnisse, bestenfalls mit einem relevanten Auslandaufenthalt unterlegt. In einem sehr international geprägten Kanzleimarkt, sind gute bis verhandlungssichere Englischkenntnisse ein absolutes Muss. Junge Juristen können diese Schlüsselqualifikation durch Praktika im englischsprachigen Ausland oder mit einem Auslandssemester an Partneruniversitäten erwerben. Im Referendariat bietet etwa die Wahlstation eine gute Möglichkeit, den Auslandsaufenthalt in die Ausbildung zu integrieren. Über die Anwaltsstation in einer internationalen Großkanzlei können erste Kontakte hergestellt werden, um dann die Wahlstation in einem Auslandsbüro der Kanzlei zu absolvieren.
Die ausgleichende Wirkung
Der Klassiker unter den Schlüsselqualifikationen ist nach wie vor ein Zusatzabschluss wie eine
Promotion oder ein LL.M. (am besten im Ausland erworben). Sie haben den Vorteil, dass sie häufig eine ausgleichende Wirkung haben, wenn die Noten der Staatsexamina etwas schwächer ausfallen. Viele Kanzleien haben hierfür Beurteilungssysteme installiert, um die Zusatzabschlüsse besser in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen. Eine Art Ausgleichsystem wird dabei am häufigsten genutzt. Hier werden die Kernqualifikationen Staatsexamina, Promotion und LL.M. gleichwertig behandelt. Vorausgesetzt wird, dass der Bewerber ein „Doppel-VB“ mitbringt. Ist das nicht der Fall, kann ein fehlendes „vollbefriedigend“ durch eine Promotion oder einen LL.M. ausgeglichen werden. Gerade bei der Anwendung eines solchen Systems spielt eine Promotion oder ein LL.M. eine ausschlaggebende Rolle, da diese Qualifikationen ein wirkliches Einstellungskriterium darstellen können.
Rein in die Praxis
Ein weiteres, wichtiges Thema sind relevant praktische Erfahrungen – sowohl während des Studiums als auch während des Referendariats. Hierzu gehören Praktika, wissenschaftliche Nebentätigkeiten und die Anwalts- und Wahlstation bei einer internationalen Großkanzlei oder in der Rechtsabteilung eines großen Unternehmens. Durch den praktischen Ansatz kann frühzeitig ein fachlicher Schwerpunkt gesetzt und unbeliebte Fachthemen für die Zukunft ausgeschlossen werden. Das führt am Ende der Ausbildung zu einem klareren Profil, das wiederum beim Einstieg hilfreich sein kann.
Abschließend sollten auch die sozialen Kompetenzen (Soft Skills) erwähnt werden. Fähigkeiten wie Rhetorik, Zeitmanagement oder Führung und Motivation werden immer wichtiger. Die Fertigkeit der sozialen Interaktion ist für den Juristen der Zukunft eine absolut wichtige Schlüsselqualifikation. Während der Ausbildung sollten daher die Zusatzangebote an den Hochschulen oder während des Referendariats genutzt werden.
Simon Schmitt, LL.M., ist Berater bei hemmerconsulting und zuständig für das Legal High Potential Programme (LHPP) und den Associate Career Service (ACS). Er berät Top-Juristen bei Fragen zu Berufseinstieg und Karriereplanung. Sein wirtschaftsrechtliches Studium absolvierte er in Frankfurt a. M., Birmingham und Salzburg.
Simon Schmitt, Gastautor