Start-up-Experte Stefan Menden: "Es gab nie eine bessere Zeit, Unternehmen zu gründen"
Stefan, wie entstand deine Idee für das Start-up Squeaker.net, das schon im Jahr 2000 an den Start ging?
Ende der 1990er Jahre wurde das disruptive Potenzial des Internets und neuer digitaler Geschäftsmodelle erstmals deutlich. Damals war ich Student in Köln und hatte eine Website zum Austausch zwischen internationalen Studenten gebastelt. Aus eigener Erfahrung wussten wir, dass sich Studenten sowieso über Karrierethemen ‚offline‘ austauschen – so entstand die Idee, eine Seite zu bauen, auf der dieser Austausch nicht mehr eins zu eins, sondern vertausendfacht ermöglicht wird. So hilft das Internet, Informationsasymmetrien abzubauen: Studenten konnten sich erstmals mit anderen Studenten über ihre Praktika, Auslandssemester und Bewerbungsgespräche austauschen und neben der Präsentation der Unternehmen einen authentischen Einblick von anderen Peers erhalten.
Du hast selbst gegründet und in Start-ups investiert – welches ist der größte Fehler, den Gründer besser vermeiden?
Der größte Fehler ist, den Wert der Idee zu überschätzen und die eigentliche Ausführung zu unterschätzen. Das Internet-Business ist heute sehr professionell. Man muss sich vor allem ernsthaft Gedanken machen, ob und wie man sich differenziert von anderen Angeboten – oder warum es eine vermeintlich neue Idee nicht schon gibt. Meine Erfahrung ist, dass es im Grunde alles schon einmal gab. Vor Facebook gab es Friendster und MySpace, vor Google auch Altavista. Am Ende entscheiden die richtige Umsetzung – und natürlich auch das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Was sind die wichtigsten Dinge, die ich als Student brauche, um ein Start-up zu gründen?
Einfach machen. Alles was du dafür brauchst, hast du schon oder kannst es schnell lernen. Aus Erfahrung – und dazu gehört auch Scheitern – lernt sich sowieso besser. Warum werden Einwanderer, die keine deutsche Hochschulausbildung haben, kein Geld haben und die Sprache nicht perfekt sprechen, manchmal mit ihren Gründungen sehr erfolgreich? Die Antwort lautet: Weil sie es einfach machen.
Zur Person:
Stefan Menden, Jahrgang 1976, ist Managing Director bei Secret Escapes, einem Online-Reisevermittler mit Fokus auf Luxushotels und Premium-Reisen. Er hat an der Universität Köln und der Norwegian School of Economics Wirtschaft studiert. Menden ist Gründer des Karrierenetzwerks Squeaker.net. Er unterstützt heute selbst Start-up-Projekte und ist einer der Initiatoren der Start-up-Konferenz „European Piratesummit“. Erste Erfahrung als Consultant machte er beim Beratungsunternehmen Oliver Wyman. Er ist Autor des Insider-Dossiers „Bewerbung bei Unternehmensberatungen“.
Stichwort ‚machen‘: Wie wichtig ist der Businessplan?
Nach meiner Einschätzung ist er nicht so wichtig. Du brauchst ein Excel-Modell, indem du belegen kannst, dass du in einen attraktiven Markt gehst. Die Kern-Economics des Geschäftsmodells musst du verstehen und abbilden können. Dafür braucht es keine Prosa ringsherum. Mach lieber eine Zehn-Seiten-Power-Point-Präsentation. Wenn du das Geschäft darin nicht erklären kannst, dann wird ein 20-Seiten-Businessplan auch nicht helfen.
Was mache ich, wenn ich gründen will, aber noch nicht die zündende Idee habe?
Die Idee ist irrelevant. Nimm einen Kiosk: Davon gibt es in den meisten Städten hunderte und nicht wenige Kiosk-Unternehmer sind damit sehr erfolgreich geworden. Einen Kiosk zu gründen ist auch ein Copycat – aber auf die Umsetzung kommt es an.
Wie viel Geld sollte ich für die Gründung selbst auftreiben?
Das kommt aufs Geschäftsmodell an. Ich denke, dass man mit 10.000 bis 40.000 Euro in den meisten Fällen eine Firma gründen kann.
Und wie teile ich dann die Verantwortung im studentischen Gründer-Team?
Die richtige Zusammenstellung des Gründerteams ist sehr wichtig. Überleg dir, welche komplementären Fähigkeiten ihr mitbringt. Oft denken Gründer, sie brauchen einen Techie und machen jemanden zum CTO, der ein bisschen PHP programmieren kann. Wenn der dann nach einem Jahr überfordert ist, aber als Mitgründer noch einen Großteil der Anteile hält, ist der Konflikt programmiert. Wichtig ist, dass das Gründerteam hundert Prozent committed ist, keine anderen Verpflichtungen mehr hat, gut miteinander auskommt und Vertrauen hat. Und dass es neben einer Einigung zur Gründung auch eine Einigung gibt, wie man sich wieder trennen kann, sollte es im Sinne der Firma notwendig werden. Üblich sind zum Beispiel Programme, dass man sich seine Anteile über die Zeit erst verdienen muss und sonst den Mitgründern zurückgeben muss, das sogenannte Vesting.
Wo bekomme ich als Gründer Hilfe?
Ich würde die großen Venture-Capital- und Gründerblogs lesen. Hier ist jede erdenkbare Situation beschrieben. Es gibt so viel Erfahrung da draußen – das ist erst einmal das Wichtigste. Gestehe dir am Anfang ein, dass du erst einmal massiv lernen musst.
Wie lange dauert es, bis ich weiß, jetzt läuft es und mein Start-up kann ein Erfolg werden?
Du solltest nach drei bis sechs Monaten eine klare Idee haben und ehrlich zu dir sein, wenn es nicht funktioniert.
In welchen Bereichen lohnen sich Gründungen derzeit am meisten?
Ich persönlich hätte Lust, nochmal mehr über die Zukunft des Online-Recruiting nachzudenken. Ansonsten liegen die größten Herausforderungen heute im Bereich Künstliche Intelligenz.
Sind die Chancen, ein zweiter Zuckerberg oder Bezos zu werden, heute nahezu aussichtslos, nachdem es Facebook und Amazon bereits gibt und gefühlt jedes Jahr eine Million Start-ups gegründet werden?
Ich gehe davon aus, dass die größten Firmen noch gegründet werden und praktisch keine jetzige Dax- oder S&P-500-Firma in zehn Jahren noch existiert. Es gab nie eine bessere Zeit, Firmen zu gründen.