Erste Berufserfahrung: Was bedeutet das für Bewerber?
Du hast das richtige Fach studiert, bringst gute Noten mit und an Soft Skills mangelt es auch nicht. Doch dann verlangt dein Wunsch-Unternehmen von Bewerbern auch noch „erste Berufserfahrung“ – und hier bist du unsicher: Fällt deine letzte Werkstudentenstelle darunter? Kannst du hier mit deinem Kellnerjob punkten? Oder solltest du dich gar nicht erst bewerben?
Erste oder einschlägige Berufserfahrung
Es gibt drei verschiedene Abstufungen, in denen Personaler denken: Erste Berufserfahrung, einschlägige Berufserfahrung, fundierte Berufserfahrung. Von den meisten Absolventen wird erste Berufserfahrung erwartet. Hierunter fallen fast alle Tätigkeiten, die sich außerhalb von Hörsaal und Bibliothek abspielen: Ein Job an der Uni, eine Werkstudentenstelle, Praktika in den Semesterferien oder Berufserfahrung durch eine Ausbildung. Vielen Unternehmen reicht es, dass du bereits gearbeitet hast, die Branche ist oft zweitrangig. Anders sieht es aus, wenn einschlägige Berufserfahrung gefordert wird: Hier sollten deine bisherigen Tätigkeiten zur ausgeschriebenen Stelle passen.
Egal, welche Formulierung in der Jobanzeige steht – mit einschlägiger Erfahrung kommst du immer am besten an: „Wenn wir Juniorstellen vergeben, erwarten wir erste Berufserfahrung durch Praktika oder Werkstudentenstellen. Und es ist selbstverständlich super, wenn sie in der gleichen Branche gesammelt wurde“, sagt Anna Katharina Leers, Personalreferentin HR Development bei HSBC Deutschland. „Diese Einblicke sind uns sehr wichtig, weil der Kandidat dadurch belegt, dass er sich wirklich für diesen Bereich interessiert und dass er auch ein klares Bild davon hat.“ Eine Stelle als studentische Hilfskraft in der Bibliothek oder ein Kellnerjob helfen dir in einem solchen Fall leider weniger.
In einigen Stellen ist auch von fundierter Berufserfahrung die Rede. Hier werden mindestens Young Professionals angesprochen: Bewerber sollten bereits mehrjährige Erfahrung im entsprechenden Bereich gesammelt haben, oft nennen Unternehmen sogar eine konkrete Zahl und wünschen sich zum Beispiel „mindestens drei Jahre Berufserfahrung in einer Wirtschaftsprüfung“.
Work & Travel zählt leider nicht
Du hast als Werkstudent in einem Unternehmen deiner Wunschbranche gearbeitet oder Praktika absolviert, die perfekt auf deinen CV abgestimmt sind? Glückwunsch, dann kannst du eindeutig mit erster Berufserfahrung punkten. Anders sieht es aus, wenn du ein Jahr Work & Travel hinter dir hast oder dich ehrenamtlich für soziale Zwecke engagierst: „Beides bringt einen persönlich weiter und ist eine tolle Leistung“, sagt Anna Katharina Leers von HSBC. „Aber für die konkrete Tätigkeit bei uns reicht es nicht aus und kann die Berufserfahrung nicht ersetzen.“
Eine Alternative zu Werkstudenten-Stelle oder Praktikum: Du kannst auch durch die Mitarbeit in einer studentischen Unternehmensberatung oder beim Uni-Radio erste Berufserfahrung sammeln. Und je nach Branche lassen sich Personaler auch mit einem privaten Blog zum passenden Thema beeindrucken. Manchmal hilft auch das Vorlesungsverzeichnis: Gibt es Seminare, bei denen du mit Unternehmen zusammenarbeitest? Oder werden praktische Kurse angeboten, bei denen du Arbeitsproben für spätere Bewerbungen sammelst? Halte die Augen offen – es wird sich später lohnen.
Dem künftigen Arbeitgeber erleichtert Berufserfahrung die Einarbeitung, aber auch du selbst profitierst davon, schon während des Studiums Berufserfahrung zu sammeln. „Nebenjobs erweitern einfach frühzeitig den Horizont und stärken neben dem Fachwissen auch die Soft Skills“, sagt Pia Zietz. Die 26-Jährige hat neben ihrem Journalistik-Bachelor und einem Master-Studium in Corporate Communication in einer Online-Redaktion und einer Agentur gearbeitet. Und das hat sie weitergebracht: „Die Anforderungen sind wirklich in jedem Berufszweig anders. Was mich im Kellnerjob als Kollegin ausmacht, hilft mir als Mitarbeiterin in einer Agentur nicht unbedingt weiter.“
Pia Zietz hat neben ihrem Studium bereits einschlägige Berufserfahrungen gesammelt.
Pia Zietz Studentin
Ihr haben die Stellen auch geholfen, die eigenen Wünsche für die Zukunft zu definieren: „Ich weiß durch meine Erfahrungen durchaus mehr, wer ich eigentlich im Job bin“, sagt Pia. „Ich habe gelernt, wie ich gerne arbeite und wie nicht – das gilt auch für die Zusammenarbeit mit Kollegen. Man geht nicht so unvermittelt in seinen ersten Job, sondern ist vorbereitet auf das, was kommt.“ Und bei den folgenden Bewerbungen um die nächste Werkstudenten-Stelle kam die bisherige Berufserfahrung gut an.
Ohne Erfahrung keine Chance?
Aber wie sieht es aus, wenn du all die Möglichkeiten im Studium nicht genutzt hast? Haben Bewerber ohne Erfahrung wirklich gar keine Chance auf den Job? „Ohne Berufserfahrung wird es schwierig“, sagt Anna Leers von HSBC. „Es gibt immer sehr viele Bewerber, die bereits erste Praxiskenntnisse mitbringen und ihren Lebenslauf auf ihre Wunschposition ausgerichtet haben. Daneben haben Bewerber, die in ihrer Studienzeit keine Erfahrungen gesammelt haben, schlechtere Aussichten.“
Aber es kommt natürlich auf die Formulierungen im Jobangebot an: Wird „idealerweise“ erste Berufserfahrung gefordert oder ist „Berufserfahrung wünschenswert“, dann solltest du deine Bewerbung in jedem Fall einreichen. Vielleicht kannst du die Personaler mit anderen Argumenten oder deinem besonders großen Einsatzwillen überzeugen.
Wenn alles nicht hilft und du nur Absagen kassierst, kannst du auch noch über ein Praktikum nach dem Abschluss nachdenken. Mehrere Praktika nach dem Abschluss sind zwar nicht zu empfehlen – aber vielleicht verschafft dir schon eine Stelle die nötige Erfahrung, die du für einen Einstiegsjob brauchst.