"Einfach mal machen"
Armin Weber ist Partner und Leiter der Hauptniederlassung München bei der ECOVIS Wirtschaftstreuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Wirtschaftsprüfung und Transaktionsberatung.
Armin Weber Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der ECOVIS Wirtschaftstreuhand GmbH
Herr Weber, welche aktuelle Entwicklung sehen Sie in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung?
Mir fällt auf, dass sich in der Steuerberatung die gleichen Trends abzeichnen wie in der Wirtschaftsprüfung, nur etwas verzögert und nicht in derselben Schärfe. In der Wirtschaftsprüfung werden immer mehr formale Anforderungen gestellt. So fixieren sich alle Beteiligten geradezu auf die obligatorischen Checklisten, die mit jedem Mal länger werden. Dazu kommt, dass auch wir als Prüfer internen und externen Revisionen und Qualitätskontrollen unterliegen, die einiges an Aufwand kosten. Und das, obwohl die Wirtschaftsprüfung im Grunde ein Projektgeschäft ist und uns viel Flexibilität abverlangt. Aus diesem Grund steigen manche nach ein paar Jahren als Wirtschaftsprüfer wieder aus. Die Branche hat deshalb ein Nachwuchsproblem, was ich nicht verstehen kann. Es sind doch gerade die ständigen Herausforderungen und wechselnden Anforderungen, die unsere Arbeit so spannend machen. Mein Appell an alle Wirtschaftsstudenten: Traut euch, weil ihr hier etwas bewegen könnt!
Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich Prüfer und Steuerberater in einer mittelständischen Gesellschaft stellen?
Der Wirtschaftsprüfer in der mittelständischen Gesellschaft ist Generalist. Denn die Mandanten sehen in ihm den Hauptansprechpartner für viele Themen, die zum Teil bis zur Betriebsberatung reichen. Für mich ist es sehr motivierend, wenn ich zu spüren bekomme, wie viel Vertrauen uns die Mandanten entgegenbringen. Und die zunehmende Internationalisierung, die vor unseren mittelständischen Mandanten nicht Halt macht, verlangt viel Unterstützung von uns. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass dadurch verhandlungssicheres Englisch heute selbstverständlich geworden ist.
Gutes Englisch gilt sicher für große und kleine Gesellschaften gleichermaßen als Voraussetzung. Worin unterscheidet sich aber die Karriere bei einer mittelständischen und einer großen Gesellschaft?
Der Einstieg ist im Grunde bei beiden gleich. Aber im Mittelstand wird man frühzeitig in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Ich habe acht Jahre bei einer der Big 4 gearbeitet und festgestellt: Als Wirtschaftsprüfer wird man zwar als Generalist ausgebildet, aber dort ist man eher als Spezialist gefordert. Seit ich hier bin, weiß ich, was mir besser gefällt: als Generalist in einer mittelständischen Gesellschaft, die flache Hierarchien hat und wo es weniger formal zugeht. Bei uns läuft es eher nach dem Prinzip: Einfach mal machen, anschieben, kreativ sein und Ideen einbringen.
Und kann man problemlos wechseln - von einer großen zu einer mittelständischen Gesellschaft und umgekehrt?
Wenn man die Spielregeln und die unterschiedlichen Kulturen berücksichtigt - ja. Von der großen zur kleinen WP-Gesellschaft ist es meist leichter, weil man dort mehr Freiraum zum Gestalten hat und das als persönlichen Gewinn erlebt.
Was empfehlen Sie Studenten und Absolventen sonst, die sich für den Einstieg in der Branche interessieren?
Im Wesentlichen habe ich da zwei Ratschläge. Einerseits so früh wie möglich bei einem Wirtschaftsprüfer reinschnuppern. Praktikanten haben so die Gelegenheit, unsere Arbeit in allen Facetten mitzuerleben. Der Vorteil liegt auf beiden Seiten. Man lernt sich gegenseitig kennen, und das führt immer wieder auch zu einer Festanstellung. Andererseits sollten Studenten auch bei mittelständischen Unternehmen reinschnuppern. Dann erhalten sie einen Blick für Mandanten, sehen die Abläufe und Probleme in deren Unternehmen. In jedem Fall aber ist Vorerfahrung gut. Damit ist nicht nur Erfahrung im Rechnungswesen gemeint. Wer in einem Studentenjob etwa als Bedienung in der Gastronomie gearbeitet hat, weiß was Service bedeutet – und auch darum geht es bei uns in der Wirtschaftsprüfung.
Was sollte man studiert haben, um erfolgreich zu starten und sich schnell weiterzuentwickeln?
Heute sind die Studiengänge so vielfältig, dass wir gegenüber allen Interessenten offen sind, sofern sie als Basis eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung haben. Dabei ist es uns nicht besonders wichtig, ob jemand von der Universität oder einer Fachhochschule kommt. Hilfreich sind aber immer gute Kenntnisse im Rechnungswesen.
Welche akademischen Qualifikationen wünschen Sie sich denn von Bewerbern?
Durch den Bologna-Prozess ist es heute egal, ob jemand seinen Bachelor oder Master an der Uni oder FH erworben hat. In den letzten Jahren hat sich auch eine Fülle an Fortbildungsmöglichkeiten entwickelt, die man in Ergänzung zum grundständigen Studium gut brauchen kann. Eine Ergänzung wie der MBA allerdings, der angeblich den Marschallstab im Tornister bringt, ist für unsere Branche fachlich nicht unbedingt eine zwingende Voraussetzung. Er ist sicher aber ein Zugewinn an generellem Wissen über Management und Strategien. Lieber als ein bloßer MBA-Titel ist uns meist eine breite Vorerfahrung – aus Praktika oder Jobs als Werkstudent plus Bachelor.
Soweit die harten Fakten. Und welche Soft Skills halten Sie für wichtig?
Die Mandanten sind – wie die Branchen, aus denen sie stammen – sehr vielfältig, haben höchst unterschiedliche Arbeits- und Lebensbedingungen und sind oft sehr ausgeprägte Charaktere. Damit müssen Sie als Prüfer umgehen können. Sie dürfen sich nicht hinter Bildschirmen abschotten, sondern müssen in der Lage sein, mit allen Leuten zu reden und geistig in ihre Unternehmen einzutauchen. Deshalb werden Soft Skills immer wichtiger: Einfühlungsvermögen, Offenheit und Verschwiegenheit zugleich, Kommunikationsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Das bedeutet vor allem zuhören, genau hinschauen, kritisch mitdenken, seine Meinung sagen und Spaß an der Teamarbeit haben.
Wie hoch sind die Gehaltsunterschiede für Einsteiger zwischen mittelständischen und großen Gesellschaften?
Bei großen Gesellschaften gibt es komplizierte Bonusmodelle, die auf den ersten Blick ein höheres Gehaltsniveau vermuten lassen. Bei uns ist alles konkreter, leichter nachvollziehbar und genauso attraktiv. Wenn man genau hinschaut, kommt man drauf, dass das Gehaltsniveau im Mittelstand sicher nicht schlechter ist.
Verraten Sie uns Ihr persönliches Erfolgsgeheimnis oder Erfolgsrezept?
Sich um die Probleme der Mandanten kümmern und mit aller Kraft Lösungen suchen – so, als wären es die eigenen, aber zugleich die Probleme des Mandanten nicht zu den eigenen machen.
1/2 Karriere abseits der Big 4
2/2 Interview mit Armin Weber von Ecovis