Zauberwürfel: Hier braucht man viel Geduld

Warum Ausdauer so wichtig wie Talent ist

Die Tugend Geduld. Klingt verstaubt und altmodisch. Doch sie ist der Schlüssel zum Erfolg, sagt Wirtschaftsforscher Matthias Sutter. Wir fragen: Warum?

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Als Wirtschaftsforscher weiß Matthias Sutter, warum Geduld in der Karriere der Schlüssel zum Erfolg sein kann. 

Matthias Sutter Wirtschaftsforscher

Herr Sutter, wie kommt man von der Theologie zur Volkswirtschaftslehre?
Ich wollte in Theologie bei Professor Büchele promovieren. Er ist Jesuitenpater und fragte mich, was ich von Wirtschaftswissenschaften verstehe. Am Ende eines Theologiestudiums natürlich nichts. Darauf sagte er, wenn ich nichts davon verstünde, könne ich auch nicht bei ihm promovieren. Also fing ich mit 24 Jahren noch an, VWL zu studieren. Heute bin ich ihm sehr dankbar.

Der Titel Ihres Buches lautet „Ausdauer schlägt Talent“. Im Klartext: Ich muss nur geduldig sein, nicht aber Intelligent, um erfolgreich zu sein? Gewagt.
Im Idealfall sind Sie natürlich intelligent und geduldig.  Oft heißt es plakativ: Intelligenz setzt sich durch. Dem  ist nicht immer so. Mit viel Ausdauer und weniger Intelligenz kann man es genauso weit bringen wie mit viel Verstand, aber kaum Geduld. Die Kernaussage meines Buches lautet: Geduld kann Talent kompensieren.

Was ist Geduld für Sie?
Geduld bedeutet für mich, bei der Wahl zwischen einer Sache im Hier und Jetzt und etwas Größerem in der Zukunft sich für das Größere zu entscheiden.

Geduld klingt aber auch nach Aussitzen, Abwarten und Stillstand. Wie bitte soll das zum Erfolg führen?
Gemeint ist sicher nicht das „Hände-in-den-Schoß-Legen“ und „Der-Dinge-Harren“. Es geht um ein zielgerichtetes Handeln. Darum, dass Menschen auf die Zukunft hinarbeiten.

Was habe ich davon, auf etwas Größeres hinzuarbeiten?
Geduld kann glücklich machen. Wir wissen aus Studien, dass geduldige Menschen zufriedener sind, etwa mit ihrer Arbeit. Und zwar, weil sie eine höhere Ausbildung genossen haben, einen spannenderen Beruf ausüben, der im Alltag interessantere Aufgaben verspricht.

Sie sind Ökonom. Warum beschäftigen Sie sich überhaupt mit Geduld?
Aus ökonomischer Sicht interessiert mich natürlich die Frage, wer wie stark in seine Ausbildung investiert. Und geduldigere Menschen tun das. Sie verzichten etwa nach dem Abitur darauf, schnelles Geld zu verdienen, um mit einem Universitätsabschluss später einen Beruf zu ergreifen, der sich besser bezahlt macht.

Das tritt auch tatsächlich so ein?
Ja, Langzeitstudien bestätigen das. Um es vereinfacht am Gummibärchen-Experiment festzumachen: Es gibt Menschen, die schon in ihrer Kindheit auf die zweite Gummibärchentüte warten konnten, als sie die Wahl hatten, die eine Tüte gleich aufzuessen oder zu warten und dafür noch eine zweite zu bekommen. Sie sind später mit höherer Wahrscheinlichkeit sehr gut ausgebildet, finanziell besser aufgestellt und leben auch gesünder, also rauchen weniger oder haben weniger Übergewicht. Das ist  wieder aus ökonomischer Sicht interessant. Denn Gesundheitsausgaben machen einen beachtlichen Anteil an öffentlichen Ausgaben aus.  

Trägt der familiäre Hintergrund dazu bei, ob ich ausdauernd bin oder nicht?
Gewiss. Verlässlichkeit etwa hat einen großen Einfluss auf die Geduld von Kindern und das, was Eltern vorleben. Ein einfaches, aber anschauliches Beispiel: Wenn Sie Ihrem Kind für eine gute Note in der Schule eine Belohnung versprechen, dann muss das Versprechen auch gelten. Ihr Kind hat nun fleißig gelernt und eine gute Note bekommen, Sie halten sich aber nicht mehr an die Abmachung, aus welchen Gründen auch immer. Ihr Kind wird sicher nicht mehr aufgrund Ihres Versprechens auf etwas längerfristiges Hinarbeiten. Es hat ja keinen Grund mehr, sich für die Zukunft anzustrengen, wenn Versprechen nicht eingehalten werden.

Kann ich etwas gegen Ungeduld tun?
Es gibt unzählige Ratgeber, die das versprechen. Doch belegbare Studien dazu gibt es nicht. Allerdings glaube ich, dass es Möglichkeiten gibt, sich in Selbstkontrolle zu üben und seine Ungeduld zu zügeln. Ein Beispiel ist das in Amerika bekannte Christmas-Club-Konto. Das sind Bankkonten, auf die der Kontoinhaber während des Jahres Geld einzahlen kann, um Geld für Weihnachtsgeschenke zurückzulegen. Der Inhaber kann nur erschwert auf das Geld vorab zugreifen. Hier wird der Impuls unterdrückt, das Geld sofort für andere Dinge auszugeben.

Müssten Sie als Ökonom nicht die Ungeduld predigen? Spontane Käufe kurbeln schließlich die Wirtschaft an.
Sicher erzeugt das mehr Umsatz, bringt aber einen Latte an Problemen mit sich. Nicht ohne Grund verzeichnet die Schuldenberatung gerade bei Jugendlichen hohe Zuwächse. Jugendliche verschulden sich wegen eines neuen Handys, eines Mofas oder schicken Designermöbeln. Anders als  unsere Großeltern und Eltern, die sich wegen eines Hauses verschuldeten. Heute sind es alles Dinge, die nach zwei Jahren veraltet sind. Individuell zahlt es sich aus, wenn man geplant an die Dinge herangeht und sich das Kleidungsstück im Schaufenster erst kauft, wenn man es sich wirklich leisten kann.

Braucht eine Gesellschaft nicht beides? Auch die Bauchentscheider?
Bauchentscheidungen sind per se nicht schlecht. Ungeduld kann ein Motor sein. Ich propagiere ja nicht das Aussitzen. Ich sage, dass Geduld wichtig ist, um langfristig Erfolg zu haben. Denn schauen Sie, selbst die von einem Intendanten inszenierte Oper entspringt nicht irgendwelchen Spontanhandlungen. Es gab vielleicht mal eine zündende Idee, aber die Umsetzung geht er letztlich planvoll an. 

Herr Sutter, ich habe während des ganzen Gesprächs den Keks beim Kaffee nicht angerührt. Bin ich auf einem guten Weg, geduldiger zu werden?
Als österreichischer Gentlemen würde ich jetzt sagen: ja.


Katrin Mingels, Redaktion

KentaStudio/shutterstock.com

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