Zwei Anwälte planen ein soziales Projekt

Die Law Clinic: Guter Rat ist kostenlos

Die Law Clinic ist ein Konzept studentischer Rechtsberatungen und ermöglicht Erfahrung für die Studis und kostenlose Hilfe für Ratsuchende – eine Win-win-Situation.

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Geschafft. Die Studentenbude ist endlich gefunden, auch wenn eine hohe Maklerprovision an den Vermieter anfällt. Moment: An den Vermieter? Ihm gehört eine Maklerfirma, aber hat er deshalb Anspruch auf die Provision? Ein Anwalt ist zu teuer, man hat ja gerade erst sein Angespartes für die Provision hingeblättert. Wen also um Rat fragen? Die Jura-Studenten der Law Clinic helfen weiter.

Notfallbehandlung und Erste Hlife 

Was nach Notfallbehandlung und Erste Hilfe klingt, ist in der Tat eine Art Erstversorgung für rechtliche Probleme. Die Studenten bieten kostenlose Rechtsberatungen an und lernen so nebenbei den Umgang mit Mandaten kennen. Mit ihrem Engagement sammeln sie Praxiserfahrungen und entwickeln ihre sozialen Fähigkeiten. Begleitet werden die Studenten dabei von Dozenten und Anwälten. „Die juristische Ausbildung ist sehr theorielastig. Die Studenten erhalten kaum ein Gefühl davon, dass das Gelernte etwas mit dem realen Leben zu tun hat“, erklärt Paul Tiedemann, Uni-Professor und Initiator der Refugee Law Clinic in Gießen. „Diesem Defizit kann man mit einer Law Clinic ideal entgegenwirken.“

Der Ursprung der Law Clinics liegt in den USA. In den 1960er-Jahren boten sogenannte Legal Clinics Rechtsberatungen für die, die sonst keine rechtliche Hilfe finanzieren konnten. Mittlerweile ist das Konzept der Law Clinic in vielen Ländern verbreitet.

Asyl- und Flüchtlingsrecht

Einer der Vorreiter hierzulande ist die von Tiedemann ins Leben gerufene Refugee Law Clinic (RLC) der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Aufmerksam wurde er auf das Modell durch die Refugee Law Clinic in Ljubljana. Doch erst nach der Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG, siehe Info-Box) wurde ein eigenes Projekt realisierbar. „Beim Fachbereich Rechtswissenschaft fand ich offene Ohren und viel Unterstützung. So konnte das Projekt im Wintersemester 2007/08 beginnen“, erklärt Tiedemann. Seitdem beraten dort junge Juristen Ratsuchende in Asyl- und Flüchtlingsrecht. Die RLC versteht die Rechtsberatung als ganzes Ausbildungskonzept: Von der theoretischen Phase, die auch ein Praktikum in einer Kanzlei, Behörde oder NGO beinhaltet, geht's ab in die Rechtsberatungspraxis. Das Interesse ist von Anfang an groß: „Die einführende Vorlesung in das Flüchtlingsrecht besuchen bis zu einhundert Zuhörer, rund die Hälfte hält bis zur Klausur durch“, verrät Tiedemann.

Zur Beratung ins Studentencafé

An immer mehr Universitäten gibt es studentische Rechtsberatungen. Und ihr Angebot wird immer breiter: Die Humboldt Law Clinic etwa bietet  neben der Beratung für Grund- und Menschenrechte mittlerweile auch Law Clinics für Verbraucher- und Internetrecht an.

Nicht alle Law Clinics sind lehrstuhlgebunden: Es gibt auch unabhängige Beratungen, die selbstständig von Studenten organisiert werden. Studenten höherer Semester der Friedrich Schiller Universität Jena gründeten die Rechtsberatung PARAlegal. Erst traf man sich zur Beratung im Studentencafé oder in leeren Seminarräumen, mittlerweile stellt die Uni einen Raum zur Verfügung.

Neben der Internetpräsenz machte man auch in der Lokalpresse auf das Angebot aufmerksam. „Jeder kann einen Fall einreichen, das Angebot ist nicht nur für Studenten oder finanzschwache Personen bestimmt“, erklärt Miriam Blank, Teamleiterin für Öffentlichkeitsarbeit von PARAlegal. Fälle kann man über das Onlineformular auf der Homepage einreichen, wo jede Woche zwei bis fünf Fälle eingehen. Die Studenten entscheiden dann, ob sie den Fall übernehmen. Nach dem ersten Gespräch bearbeiten sie den Fall und schließen einen Beratungsauftrag mit dem Mandanten. Die Lösung beraten die Studenten mit einem Volljuristen und präsentieren dem Ratsuchenden die endgültige Lösung bei einem abschließenden Gespräch.

Wer sich in eine Law Clinic einbringen will, muss nicht nur Interesse, sondern auch die nötige Zeit dazu mitbringen. „Bei den Studenten fand die Idee direkt Anklang, doch ist es trotz Interesse für einige schwierig, sich neben dem Studium auch bei der Beratung zu engagieren“, erklärt Blank.

Großer Ansturm

Die unabhängige Beratung Law&Legal ist sogar überregional tätig. „Die vielen Anfragen aus ganz Deutschland, die uns erreichten, haben zu dieser Entscheidung geführt“, erklärt Fabian Heide, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Law&Legal. Von Tübingen ausgehend, engagieren sich die Studenten seit 2014 auch in Heidelberg, Berlin und Bayreuth. Dort beraten sie neben Studenten auch Start-ups. „Insbesondere an unserem jüngsten Standort in Bayreuth waren wir von dem Ansturm engagierter Studenten überwältigt“, so Heide. „Seitdem zeigt sich erst, wie viele Studenten Rechtsprobleme haben, die sie sonst nur über einen teuren Anwalt lösen könnten.“ Auch Fälle mit geringem Streitwert, bei denen sich das Einschalten eines Anwalts nicht lohnt, übernimmt die Law Clinic.

Nichts nach Schema F

Durch die Law Clinic können die Studenten erleben, dass die Fälle in der Praxis individuell sind und nicht nach Schema F laufen. Sie stoßen dabei auf immer neue Situationen und Probleme, die sie mit der Hilfe der Mentoren bewältigen lernen.  

Im Fall der Maklerprovision des Vermieters konnte die Law Clinic mit Unterstützung eines Anwalts in der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnisurteil erwirken. Der Vermieter zahlte den Betrag zurück und trug die Verfahrenskosten. 

Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) 

Erst die Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes von 2007 machte das Konzept Law Clinic hierzulande möglich. Studenten können seitdem ihr Theoriewissen vor dem Referendariat in die Praxis umsetzen. 

Nach vereinzelten Vorreitern kam die Entstehung von Law Clinics erst ab 2010 in Schwung. Ein Grund für den schleppenden Start ist der theoretische Studien-Schwerpunkt. Auch Fragen zur Haftung brachten erst Zweifel. Der Einsatz der Studenten wird aber durch das RDG beschränkt: Die Beratung in Steuerangelegenheiten oder die Vertretung vor Gericht sind nicht möglich.


Rebecca Westerkamp, Redaktion

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