Fünf Mythen über Ingenieure
Die Welt ist voller Vorurteile - auch gegenüber Ingenieuren. Höchste Zeit, sich die größten Klischees zur Brust zu nehmen und zu hinterfragen. Was stimmt? Was stimmt nicht?
Wir zeigen euch die fünf größten Mythen über die Ingenieurkarriere: von Abschlüssen, die einen vermeintlich sicheren Job auf Lebenszeit bedeuten, bis zur Frage, ob Ingenieure eigentlich Soft Skills brauchen.
Mythos 1: Maschinenbau- und E-Technik gehen immer
Wann immer es um die Jobaussichten von Ingenieuren geht, stehen zwei Abschlüsse besonders im Fokus: Maschinenbau und Elektrotechnik. Wer hier das Studium bis zum Ende durchzieht, so lautet meist das Fazit, hat beste Jobaussichten. Schließlich können Nachwuchsingenieure ihr Know-how aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik in fast jeder Branche einsetzen. Sie werden beim Bau von Abfüllanlagen genauso gebraucht wie in der Automobilproduktion, dem Pharmasektor oder vielen anderen Einsatzfeldern. Das Heer potenzieller Arbeitgeber ist riesig.
Deshalb jedoch zu denken, mit einem Abschluss in Maschinenbau oder Elektrotechnik seinen Job schon in der Tasche zu haben, ist ein böser Fehler. Ja, die Einsatzmöglichkeiten sind größer als für Bau-, Textil- oder manch andere Ingenieure. Und jetzt kommt das große Aber. Die Unternehmen sind trotz Demografie längst nicht gewillt, jeden Ingenieur einzustellen. Sie suchen nach den besten Nachwuchsingenieuren. Noten, Praktika, Soft Skills - das ganze Paket muss stimmen. Absolventen, die das nicht bieten können, haben es schwer bei der Jobsuche.
Mythos 2: Ausland? Fremdsprachen?
Brauche ich als Ingenieur nicht Englisch ist ein Muss, Spanisch wäre toll und wer obendrein noch Chinesisch oder Russisch bieten kann, hat bei der Jobsuche ein ordentliches Pfund, mit dem er wuchern kann. Jetzt mal schön langsam: Nicht jeder Absolvent muss ein Sprachgenie sein und mehrere Semester im Ausland studiert haben. Gerade bei Ingenieuren kann ein passendes Fachpraktikum wertvoller sein als eine Fremdsprache.
Also nicht verrückt machen lassen. Wer sich sicher ist, niemals im Ausland arbeiten zu wollen, der kommt auch ohne drei Fremdsprachen plus Auslandserfahrung wunderbar durchs Jobleben. Klar ist aber auch: Ordentliche Englischkenntnisse haben noch keinem Ingenieur geschadet. Und wer weiß, ob sich Karrierepläne nicht im Laufe der Jahre einmal ändern.
Mythos 3: Als Ingenieur winkt ein fettes Gehalt
Wir geben zu: Die Gehälter des deutschen Durchschnittsingenieurs können sich sehen lassen. Häufig schneiden Ingenieure besser ab als viele andere Absolventen. Einen wirklichen Haken gibt es bei diesem Mythos nicht. Ingenieure verdienen meist gutes Geld, das ist tatsächlich so.
Allerdings gibt es deutliche Unterschiede: Die Telekommunikationsbranche und Fahrzeugtechnik sind Top-Zahler, Bauwesen rangiert am Ende. Und: Ingenieure sind nicht gerade Gehaltsoptimierer. Viele sind sich ihres Wertes für den Arbeitgeber nicht bewusst und sind daher in Gehaltsverhandlungen eher passiv. Hier könnten sie sich bei Bankern, Beratern und anderen Gehaltsprofis eine Scheibe abschneiden.
Mythos 4: Ingenieure sitzen fast nie im Chefsessel
Wenn es ganz nach oben geht, in die Schaltzentralen der Macht, wird die Luft für Ingenieure dünn. Konzernlenker, Unternehmensmanager, Führungsfigur sind meistens BWLer oder Juristen. Taugen Ingenieure also nicht für den Chefsessel? Oder wollen viele vielleicht gar nicht? Weder noch, denn in den letzten Jahren erobern immer mehr Ingenieure die Spitzenpositionen der Wirtschaft.
Jeder dritte Chef eines Dax-Konzerns ist mittlerweile gelernter Techniker. Ein Grund: Lange standen Zahlen und Vertrieb im Fokus der Unternehmen - nicht gerade typische Ingenieurstärken. Heute geht es für viele Unternehmen in erster Linie um Produktinnovationen und cleveren Einkauf. Hier können Ingenieure punkten und BWLer häufig ausstechen.
Mythos 5: Soft Skills? Ich hab doch nicht Sozialarbeit studiert
Keine Frage, die Welt der Ingenieure ist in erster Linie noch immer eine Männerwelt. Nun sind beileibe nicht alle Männer Machos, trotzdem halten sich einige Stereotype ziemlich hartnäckig. Zum Beispiel das, vom Ingenieur als technikverliebtem Kopfmenschen. Zahlen, Zeichnungen, Prototypen - das ist seine Welt. Kommunikationsvermögen? Teamfähigkeit? Andere Soft Skills? Eher weniger.
Fragt man die Personaler, ist dieser Typus Ingenieur noch immer verbreitet. Unter den Studenten und Absolventen gibt es einige, die allein mit fachlichem Können durchs Berufsleben kommen wollen. Weit gefehlt. Soft Skills sind beileibe nicht nur etwas für Pädagogen. Die Arbeit findet immer häufiger in ständig anders zusammengestellten Projektgruppen statt. Ingenieure haben es dabei mit Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen und häufig auch Ländern zu tun. Das Team funktioniert nur, wenn fachliche und soziale Kompetenzen zusammenkommen. Wer also als Ingenieur Karriere machen möchte, sollte sich tunlichst ein paar Soft Skills zulegen.
Markus Gerharz, Redaktion