Was du aus Literatur-Klassikern für die Karriere lernst
Märchenkarriere dank der Gebrüder Grimm
Wer hätte das gedacht? 1812 zum ersten Mal erschienen und immer noch topaktuell. Der Karriere-Ratgeber der Gebrüder Grimm.
Das Schneiderlein zum Beispiel erschlägt sieben Fliegen auf einen Streich und wird am Ende sogar König. Und wie hat es das angestellt? Na klar, durch Selbstmarketing im wahrsten Sinne des Wortes. Die ganze Welt soll erfahren, was er für ein Teufelskerl ist. Mit List und Tücke und einer gehörigen Portion Glück kommt er ans Ziel seiner Träume.
Die Bremer Stadtmusikanten zeigen dagegen, dass Karriere keine Frage des Alters ist. Als zu alt und somit arbeitsuntauglich aussortiert, tun sie sich zusammen, besinnen sich auf ihre Talente und gründen ein gut florierendes Start-up-Unternehmen.
Karrieren wie aus dem Bilderbuch: Und wenn sie nicht gestorben sind, arbeiten sie immer noch an ihrer Karriere.
Franz Beckenbauer: Einer wie ich
"Schau'n mer mal", "Geht's raus und spielt's Fußball" - Franz Beckenbauer, (ehemalige) Lichtgestalt von Beruf, ist nicht nur Welt- und Europa-, sondern auch Zitatmeister des deutschen Fußballs.
Weniger bekannt ist ein Zitat, mit dem die berufliche Laufbahn Beckenbauers ihren Anfang nahm: "Grüß Gott, Herr Prokurist." Gemeint war der Prokurist einer Münchener Versicherung, bei der der damalige Jugendspieler von Bayern München als Lehrling arbeitete. Für 90 D-Mark im Monat.
Das machte ihn unbändig stolz, schreibt Beckenbauer - in seinem 1975 erschienenen Buch "Einer wie ich". Ein unsagbarer Schatz und als Karrierebibel taugt das Buch bis heute. Schließlich zeigt es den Weg vom Versicherungslehrling zum Fußball-Kaiser.
Ob es um wichtige Soft Skills geht ("Bist du so kaltschnäuzig oder tust du nur so?"), interkulturelle Kompetenz ("No foul, boy, no foul.") oder Führungsqualitäten bei einem entscheidenden Karriere-Step (der Putsch gegen Bundestrainer Helmut Schön in der Sportschule Malente): Wer das Buch als Karriere-Ratgeber liest, wird es nach ganz oben bringen. Zumal es Irrwege nicht verschweigt: "Den Geist kann man schulen. Aber nicht mit Fußball." Das sagte natürlich nicht Franz Beckenbauer. Sondern der Prokurist."
Der Teufel trägt Prada
Dass Männer in Führungspositionen schreckliche Despoten, Tyrannen und Alleinherrscher sein können, ist bekannt. Manche Chefin ist allerdings auch nicht besser. Wie etwa der Typus Miranda Priestly aus dem Buch "Der Teufel trägt Prada". Sie versüßt tagtäglich das Arbeitsleben ihrer Untergebenen. Sie dürfen alles für sie machen, private und berufliche Botengänge, Terminabsprachen, Protokolle schreiben, ja sogar ihren Papierkorb entleeren. Reguläre Arbeit ist da wirklich lästige Nebensache.
Der Typus Miranda ruft schon einmal gerne mit honigsüßer Stimme in die große Runde: "Wieso ist mein Kaffee noch nicht da, ist meine Assistentin unterwegs gestorben?" Wie fürsorglich sie doch ist. Und jeden Tag verteilt sie höchstselbst neue Aufgaben an ihr Fußvolk. Ja, das lässt sie sich nicht nehmen. Besorgt fragt sie dann: "Das ist doch nicht zu viel für dich?"
Ja, der Dienst unter Luzifer ist der Himmel auf Erden. Zum Glück hat sich die Leibeigenschaft seit dem Mittelalter weiterentwickelt und ist ihrem Grundgedanken treu geblieben. Die Damen und Herren des Mittelalters sitzen in den Chefsesseln der heutigen Führungsetagen. Herrlich. Solange man nicht selbst in so einer Abteilung landet...
Beckett: Warten auf Godot
Wartest du auch - so lange wie Estragon und Wladimir auf Godot - auf ein Lob deines Chefs, deiner Chefin? Wartest du auch so lange wie die beiden Figuren aus Becketts "Warten auf Godot" auf die Anerkennung deiner Leistung? Oder wartest du noch auf deinen Professor, obwohl die Sprechstunde schon vor zwanzig Minuten begonnen hat? Wartest du immer noch auf die Antwort vom Bafög-Amt oder vom Stipendiengeber? Oder sitzt du gerade an einer öden Landstraße mit einem trostlosen Baum (wie die beiden Outlaws Wladimir und Estragon) und wartest auf den Bus zur Uni, zum Job, zur Schwiegermutter?
Dann erlebst du das gleiche wie die beiden Figuren Estragon und Wladimir, die in Samuel Becketts epochalem Theaterstück (auch als Buch sehr lesenswert) nur eins tun: warten. Sie warten auf jemand, der Godot heißt. Der zentrale Dialog geht in etwa so:
Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!
Beckett erhebt das Warten selbst zu einer Tätigkeit, die den modernen Menschen immer häufiger beschäftigt. Wenn deine Karriere bisher vor allem aus eins bestand, aus Warten, dann warte jetzt nicht länger, sondern tu etwas. Sprich deinen Chef, deine Chefin an: Frage konkret nach einem Urteil zu deiner Leistung und was du noch verbessern kannst. Frag nach Tipps und Weiterbildungen. Zeige jetzt, wie viel du leistest! Sonst passiert dir das, was Wladimir und Estragon passiert. Du wartest, aber Godot kommt nicht. Vorhang.
"Die Physiker": Genie und Wahnsinn
Laborratte mit Flickenpulli? Von wegen. Einer wie Johann Wilhelm Möbius, Physiker aus dem gleichnamigen Stück von Friedrich Dürrenmatt, wäre heute auf dem Arbeitsmarkt umschwärmt. Schließlich hat er ein MINT-Fach studiert und solch begabte Menschen sind gerade gefragt. So ein bisschen Karriere wäre ja auch schön, schließlich ist Forschung ein hartes Brot. Bis zum Durchbruch, der einen großen Entdeckung, Zeugnis der Forscher-Genialität und Beginn der steilen Karriere als Wissenschaftler. Schließlich verehrt die Menschheit das Genie.
Wäre super, wenn nicht jede Erfindung auch eine destruktive Kehrseite hätte. Möbius hat diese eine große Entdeckung gemacht: die Weltformel. Doch die kann in den falschen Händen die Menschheit vernichten. Also macht er Karriere. Im Irrenhaus. Lässt die Familie sitzen, verleugnet sein Genie, markiert den Schwachsinnigen. Aus Verantwortungsgefühl, um die Menschheit vor der Zerstörung zu bewahren. Toller Zug. Doch die Formel ist längst in die Hände der Anstaltsleiterin geraten. Die ist tatsächlich mit einer großen Portion Wahnsinn gesegnet, hat nur Dollarzeichen in den Augen und kein Fünkchen Skrupel. Dämliche Kehrseite.
Aber sind wir nicht alle ein bisschen wie der Physiker? Machen Karriere im Irrenhaus, damit ein paar Wahnsinnige viel Geld verdienen. Mit unserem Genie. Das immerhin lassen wir uns nicht nehmen.
In Zusammenarbeit mit Rebekka Baus, Heinz Peter Krieger, Katrin Mingels und Ina Oberhoff.