Studentinnen bei einem Moot Court

Moot Courts: Die Probe aufs Exempel

Zwischen dem ersten juristischen Staatsexamen und der Arbeit als Anwalt liegen oft Welten: Um den Übergang von der Theorie in die Praxis geschmeidiger zu machen, gibt es Moot Courts. In diesen Wettbewerben mit inszenierten Gerichtsverhandlungen können Studenten den Alltag vor Gericht proben.

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Wie sieht der Berufsalltag eines Anwalts wirklich aus? Diese wichtige Frage kommt im theorielastigen Studium oft zu kurz. Ein Praxischeck durch einen Moot Court kann hilfreich sein. Moot Courts sind Prozessrollenspiele, in denen fiktive oder anonymisierte Originalfälle von Studenten vor Gericht verhandelt werden. Die Verhandlungen finden vor echten Richtern und Staatsanwälten statt. Sie bewerten sowohl die Argumentation als auch das Auftreten der Teilnehmer.

Moot Court: spielerischer Realitätscheck

Die Teilnahme an einem Moot Court  bedeutet einen vorläufigen Wechsel von der universitären Theorie in die berufliche Praxis. Denn anders als im Studienalltag sind hier keine klassischen Gutachten gefragt, sondern Plädoyers mit wasserdichter Argumentation. Ziel ist, das Bestmögliche für den fiktiven Mandanten herauszuholen. Gewonnen hat, wer sich und seine Argumente überzeugend verkaufen kann.

In diesem inszenierten Verfahren kannst du das Verhalten vor Gericht spielerisch üben. Im Prozessalltag ist schnelles und taktisch kluges Handeln gefragt: Im Moot Court lernst du, das Verhalten der Gegenseite einzuschätzen und spontan darauf zu reagieren – Techniken, die im Studienalltag selten zum Einsatz kommen.

Vorkenntnisse erforderlich

Die meisten Wettbewerbe sind für Studenten aller Semester offen. Du solltest allerdings gerade in gängigen Rechtbereichen solide Vorkenntnisse mitbringen. Die meisten Veranstalter halten eine Teilnahme frühestens ab dem dritten Semester für sinnvoll, zumal sich auch Promotionsstudenten bewerben und damit das Niveau ziemlich hoch sein kann. Trotzdem sind Zweitsemester unter den Gewinnern keine Seltenheit.

Moot Courts werden noch nicht flächendeckend angeboten. Wer nicht auf ein internes Angebot seiner Universität zurückgreifen kann, kann zum Beispiel über die European Law Students' Association (ELSA) an nationalen Wettbewerben teilnehmen. Auch verschiedene bundesdeutsche Gerichte, wie das Bundesarbeitsgericht oder der Bundesfinanzhof, bieten Moot Courts an.

Teilnahme richtig planen

Wer an einem Moot Court teilnehmen möchte, sollte sich früh entscheiden. Wegen der langen Laufzeit der Wettbewerbe solltest du dich oft schon ein halbes Jahr im Voraus anmelden. Je größer der Wettbewerb, desto länger dauert er und desto arbeitsintensiver ist auch die Teilnahme. Bei großen internationalen Moot Courts kann es schon einmal sein, dass Teilnehmer sich ein ganzes Semester dafür freistellen lassen müssen. Die meisten Moot Courts finden in zwei Phasen statt. In einem ersten Schritt werden per Losverfahren Teams aus zwei bis drei Personen gebildet. Dann bekommen die Teams ihre Fälle zugeteilt und arbeiten – je nach Umfang – in einigen Wochen oder auch Monaten ihre Schriftsätze aus. Im zweiten Teil treten sie dann in Plädoyers gegeneinander an.

Moot Courts fördern Fachkenntnisse und Persönlichkeit

Die Teilnahme an einem Moot Court bringt dir neben der fachlichen Erfahrung auch einen großen Schub in Sachen Persönlichkeitsentwicklung und Soft Skills. Der Aufbau einer Anklage- oder Verteidigungsschrift und die Verhandlung vor Gericht sind eine gute Schule für Argumentationstechnik, Rhetorik und Verhandlungstaktik. In den realitätsnahen Fällen trainierst du alle juristischen Schlüsselfertigkeiten: Zuhören, Analysieren, Formulieren, Verhandeln und Präsentieren.

Manchen Universitäten bieten in Vorbereitung auf die Verhandlungen auch Stimmtrainings und Rhetorikkurse an. Die Auftritte vor Gericht werden im Vorfeld durchgespielt, aufgenommen und gemeinsam mit einem Mentor analysiert. Gerade wenn Studenten nicht gerne vor Publikum sprechen, kann die Teilnahme an einem Moot Court zu mehr Selbstvertrauen verhelfen.

Prüfungsvorbereitung durch Moot Courts

Moot Courts bieten dir die Gelegenheit, dich früh in Vorträgen zu üben. Daher sind sie auch die perfekte Vorbereitung für die mündliche Staatsexamensprüfung. Du kannst in diesen Rollenspielen ein Gespür dafür entwickeln, wie du überzeugend vorträgst, wie viele Autoritäten du zitieren solltest und wie du deine Vortragszeit am besten einteilst. Manche Verhandlungen finden sogar in den gleichen Räumen statt, in denen auch die Staatsexamina abgenommen werden. So bekommen Examensanwärter die Prüfungsräume schon im Vorfeld zu sehen.

Große Themenvielfalt

Moot Courts gibt es zu den verschiedensten Rechstbereichen: von Zivilrecht, über Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Völkerrecht bis hin zu etwas weniger geläufigen Bereichen wie dem Weltraumrecht. Die Wettbewerbe können sowohl intern an der Universität stattfinden als auch regional, national oder international ausgetragen werden. Zu den größten und bekanntesten internationalen Wettbewerben zählen der jährlich stattfindende Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot für internationales Wirtschaftsrecht und der Philip C. Jessup Moot Court zu Fragen des Völkerrechts. Beide Wettbewerbe werden in Englisch abgehalten und erfordern entsprechende Sprachkenntnisse.

Die Teilnahme an einem Moot Court bringt dir nicht nur Praxiserfahrung und Pluspunkte für deinen Lebenslauf. Mindestens genauso wichtig ist der realistische Blick auf den Berufsalltag eines Anwalts, den du aus dieser Erfahrung mitnehmen kannst – und das alles mit Netz und doppeltem Boden.


Ichrak Hadj Boubaker, Gastautor

wavebreakmedia/shutterstock.com

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